Falls Sportlehrer anwesend
sind, entschuldige ich mich schon mal. Für gar nichts.
Für Maik, in Liebe und Dankbarkeit.
"Ich
hatte später nie solche Freunde wie damals, als ich zwölf war.
Aber mein Gott, wer hat die schon?"
- Stephen King in: Die Leiche
Die Pflege des Sportplatzes hinter meiner Schule hat letztlich etwas
nachgelassen. Der Platz ist ziemlich verwildert und hat eine schon
fast lovecraftsche Ausstrahlung im Licht des Sommerabends.
Mir könnte das an sich ja herzlich gleichgültig sein, war ich doch von
jeher eine ausgesprochene Niete im Sport und die Nemesis meiner
Sportlehrer seit Grundschultagen. Das churchillsche "No Sports!" war
mein Wahlspruch. Das ging so weit, dass ich, als wir in der Oberstufe
im Kunst- respektive: Fotografieunterricht (Wir durften das noch von
der Pike auf lernen, Dunkelkammer inklusive!) das Thema "Sport"
zugewiesen bekamen, mein Schachbrett zum Motiv erwählte - unter
Verweis darauf, dass Schach das einzige international als Sportart
anerkannte Brettspiel ist. Was ich meinem Kunstlehrer unter Vorlage
des Schülerdudens Sport beweisen konnte. Hihi.Hi.
Sogar mein Abitur wäre ums Haar an einer mit null Punkten nicht
erfüllten Belegverpflichtung gescheitert. Allerdings hatte der
Sportlehrer dann ein Einsehen. Vielleicht sogar ein Gewissen. Das soll
ja bisweilen sogar bei Sportlehrern vorkommen.
Dem Vorsatz, ums Verrecken nie wieder eine Sporthalle oder einen
Sportplatz zu betreten, bin ich bis heute treu geblieben. Sportstätten
waren eine Art Vorhölle für mich, Stätten permanenten Versagens und
Orte steter Demütigung. Manche der Erinnerungen an dieses Fach bringen
mein Blut heute noch zum Sieden.
Gleichwohl verbindet sich ausgerechnet mit dem Sportplatz eine der
besten Erinnerungen an meine Schulzeit überhaupt. Das war in der
Mittelstufe, in den späten 80ern. In welcher Klasse genau und bei
welchem Sportlehrer das war, hab ich vergessen. Bisschen älter als
zwölf werden wir wohl gewesen sein. Aber nicht sehr viel.
Es ging darum, dass jeder mindestens einmal 2000 Meter gelaufen sein
musste. Theoretisch auch in einer bestimmten Zeit, die "objektiv
altersgemäß" vorgegeben war. Zumindest aber *musste* man einmal
gelaufen sein. Und zwar am Stück.
Nach und nach hatten alle anderen Jungs diese Verpflichtung erfüllt,
bis schließlich mal wieder nur noch ich übrig war. Und ich wusste
genau, ich hatte schon ein Problem damit, die Runden überhaupt zu Ende
zu laufen.
Maik wusste das auch. Und Maik sagte "Komm. Ich lauf noch mal mit, als
Schrittmacher." Und so geschah es. Die Zeit war unterirdisch, aber das
war nebensächlich. Wichtig war: Der Lauf war absolviert, die
"Leistung" konnte abgehakt werden.
Wenn ich heute hinter der Schule vorbeikomme, höre ich immer noch die
alten Sportlehrersprüche wie "Denk mal drüber nach, warum dich keiner
wählt!" oder "Was genau sollte das jetzt darstellen?". (Und die höre
ich bisweilen nicht nur da, Freunde und Nachbarn, aber das nur am
Rande.) Aber nur vergleichsweise leise. Deutlich lauter höre ich Maik
sagen "Komm. Ich lauf nochmal mit."
Nicht die 1001 schlechten Erinnerungen an den Sportplatz möcht ich mir
bewahren, sondern die eine richtig gute.
Danke, Maik.
(Erstveröffentlichung:
5. August 2013 um 17:50 Uhr; frisch gebügelt: 17. Februar 2015 -
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