Hans Bornhöft



Um das Foto aufzunehmen, aus dem das obenstehende Bild ausgeschnitten ist, habe ich das Türschild von seinem angestammten Platz an der schrägen Wand über meinem Schreibtisch kurzfristig an meine Wohnungstür verpflanzt. Danach vergaß ich zunächst, es wieder an seinen Ort zu hängen. Als ich mich sodann im Stuhl zurücklehnte, fiel mein Blick auf die kahle Stelle und nach einem kurzen Anflug von Panik erinnerte ich mich, holte es aus meiner Jackentasche und schraubte es wieder an. Meine Gedanken dabei sind schwer zu beschreiben, gleichwohl will ich versuchen, sie in Worte zu fassen.

Mein Großvater mütterlicherseits, Hans Bornhöft, starb anläßlich der Eroberung von Lebensraum im Osten. Als Sanitäter hat er versucht, einen Verwundeten zu bergen, ist dabei selbst ins Sperrfeuer geraten und hat einen Bauchschuß abbekommen. Als man ihn selbst dann – Stunden später – barg, war es zu spät. Ich frage mich, woran er wohl zuletzt gedacht haben mag, dort auf einem gottverlassenen Feld liegend, mit einer Verletzung, über deren Folgen er genau Bescheid gewußt haben muss und mit dem ebenso sicheren Wissen, dass keiner ''ihn'' holen kommen würde.

Und ich stehe hier, zich und aberzich Jahre später und selbst schon um einiges älter, als ihm zu werden vergönnt war, und schraube das Türschild an meine Wandtäfelung, das er gekauft, dass er für seine Familie, sein kleines bisschen Leben, beschafft hat. Tatsächlich wird er es wohl in Auftrag gegeben haben. Ich glaube kaum, dass es das damals von der Stange zu kaufen gab. Hans Bornhöft hatte gerade angefangen, sich in seinem Leben einzurichten. Er liegt bei Smilten in Lettland begraben. Geblieben ist ein Eisernes Kreuz. Und das Türschild an meiner Wand.

Nachtrag I: Wie mir meine Mutter erzählt, kam er noch ins Lazarett, aber man konnte dort nichts mehr für ihn tun. Seiner Witwe schrieb man, dass “seine Gedanken bis zuletzt seiner Frau und seinem Töchterchen galten”. Es sind auch noch ein paar Briefe da.

Nachtrag II: Nach dem Tod meiner Mutter habe ich Briefe und Orden an mich genommen. Zu gegebener Zeit folgt hier eine Fortsetzung.


(Erstveröffentlichung 17. September 2010 um 0:07 Uhr)
© 2016 Björn Hagemann - Impressum