Neulich haben mein alter Herr und ich einen kleinen Verwandtenbesuch
unternommen. Einmal im Jahr habe ich dieses Bedürfnis.
Friedhof Sehlem. Das war für mich immer
der Friedhof.
Hier stand ich als Kind vor ganz kleinen Gräbern, Kindergräbern, wie
meine Mutter mir erklärte. Hier hörte ich von lieben
Familienmitgliedern, die leider nicht lange genug bleiben konnten, um
meine Ankunft abzuwarten. Hier sind bei Onkel Hermanns Beerdigung im
eisigen Wind um Haaresbreite noch drei Menschen erfroren.
Hier hab ich mir mindestens dreimal am Tor ganz fruchtbar die Griffel
geklemmt.
Omma liegt hier, Tante Friede und Onkel Hermann, die Urgroßeltern
mütterlicherseits und
mein nie gekannter Opa väterlicherseits auch.
Die Asche meiner
Mutter ruht allerdings anderenorts. Hm.
Und dennoch. Der Ort hat auf eine schwer fassbare und noch schwerer zu
beschreibende Art eine besondere Ausstrahlung. Hier empfinde ich schon
als Lebender tiefen Frieden. Hier kann ich für einen Moment lang
glauben: Alles wird gut.
Ja. Wenn meine Tage auf dieser Ebene der Existenz gezählt sind und ich
tatsächlich gehen muss, möchte ich mir die Radieschen hier von unten
betrachten. Das ist ein guter Ort zum Totsein.